Im Folgenden dokumentieren wir die Pressemitteilung des Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ zu den aktuellen Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland.
Weitere Informationen finden sich auch unter: http://newera.com.na/2016/07/12/namibia-wont-held-hostage-germany-genocide-talks/
Völkermord an den Herero und Nama: Bundesregierung gefährdet Versöhnungsprozess
Während der laufenden namibisch-deutschen Verhandlungen zum Genozid hat Deutschland Wiedergutmachung kategorisch ausgeschlossen, einseitig Projekte der Entwicklungszusammenarbeit vorgeschlagen und die namibische Regierung zeitlich unter Druck gesetzt. In Namibia wird das als Affront betrachtet.
Die von großen Hoffnungen begleiteten Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland über die Konsequenzen des kolonialen Völkermordes (1904-1908) befinden sich ohne Zweifel in einer schweren Krise. Dem Fortschritt einer offiziellen Anerkennung des Genozids durch das Auswärtige Amt sind nun Rücksichtslosigkeiten gegenüber Namibia gefolgt, die sogar ein Scheitern der Verhandlungen möglich erscheinen lassen. Protestierten bislang vor allem die betroffenen Herero, Nama und Damara gegen den Ausschluss ihrer Repräsentanten aus den Verhandlungen, hat die deutsche Seite nun auch Namibias Regierung und Opposition gegen sich aufgebracht.
Auf einer Pressekonferenz am 7. Juli 2016 in Windhoek hatten der Sonderbeauftragte der Bundesrepublik, Ruprecht Polenz, und der deutsche Botschafter Christian Schlaga ihre Positionen einseitig festgelegt: Der Völkermord werde zwar anerkannt, aber die in Namibia einhellig erhobene Forderung nach finanzieller Entschädigung werde definitiv nicht erfüllt. Die deutschen Vertreter bestimmten dagegen eine Reihe konkreter Projekte der erweiterten Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem legten sie einen ambitionierten Zeitplan für die laufenden Verhandlungen vor, der sich vor allem an innenpolitischen Kriterien Deutschlands orientiert. Er sieht eine offizielle Entschuldigung durch Präsident Gauck vor dem Ende seiner Amtszeit ebenso wie eine gemeinsame Erklärung beider Regierungen und Parlamente vor den nächsten Wahlen zum Bundestag vor.
Es überrascht nicht, dass sich neben der namibischen Opposition auch die Regierung von diesem Vorgehen brüskiert und überfahren fühlt. So beschwerte sich Oppositionsführer Venaani über den kategorischen Ausschluss von Reparationszahlungen sowie über die Ungeduld der Deutschen, die als „eine Verhöhnung des Schmerzes und der Leiden verstanden werden könnte, welche die betroffenen Gemeinschaften bis heute mit sich tragen“. In einer Pressemitteilung wies auch Präsident Geingob die deutschen Verhandlungsführer zurecht: Es würde weder von „Respekt noch von der üblichen Höflichkeit“ gegenüber der namibischen Seite zeugen, dieser einen Zeitplan zu diktieren, wo doch die Verhandlungen „gerade erst begonnen“ hätten. Auch er bezeichnete den kategorischen Ausschluss von Reparationen durch die deutsche Seite als ernsthafte Gefährdung der aktuellen Verhandlungen.
Das derzeitige Vorgehen der Bundesrepublik erinnert stark an frühere eigenmächtige Schritte der Bundesregierung, etwa im Zusammenhang mit der 2005 unilateral verkündeten „Sonderinitiative“ zur Förderung der Gebiete, in denen vor allem Nachfahren der Überlebenden des Völkermordes wohnen. Die Initiative wird heute weithin als gescheitert betrachtet und ist von den betroffenen Herero und Nama nie als angemessene Entschädigung für ihre durch den Völkermord bedingten, gravierenden Verluste an Land und Vieh akzeptiert worden.
Dazu der Freiburger Experte Reinhart Kössler: „ Eine aufrichtige Bitte um Entschuldigung für einen Völkermord ist nach weithin geltender Ansicht undenkbar ohne den deutlich bekundeten Willen zur Wiedergutmachung, wie wenig dies bei dem verursachten menschlichen Leid auch möglich ist. Wenn dies im Rahmen eines Dialogs nicht bearbeitet und dessen Zeitplan nur von einer Seite bestimmt wird, ist ein Erfolg der Verhandlungen schwer vorstellbar.“
Henning Melber, in Uppsala lebender Namibia-Experte: „Deutschlands einseitige Verlautbarungen wirken einer Verständigung entgegen und lassen an der Bereitschaft zur Versöhnung zweifeln. Namibias Regierung, Opposition und Vertreter der vom Völkermord hauptsächlich betroffenen Gruppen sind sich in ihrer Empörung über die anmaßende deutsche Vorgehensweise einig und üben harsche Kritik. Von einem Aussöhnungsprozess wäre etwas Anderes zu erwarten.“