Das Tier in dir

Über ferne Welten im Dresdner Zoo

Mit „Tiere[n] zum Anfassen nah“ wirbt der Dresdner Zoo auf seiner Internetseite, die mit viel Grün und einem dichten Pflanzenmeer aufwartet.1 Wohl eine schöne Vorstellung, wären da nicht erwartungsgemäß Glasscheiben und Gitter, die die Besucher_innen schnell wieder vom „Anfassen“ zum „Anschauen“ zwingen. Ab und zu stört vielleicht die vielbefahrene Tiergartenstraße direkt nebenan, doch ansonsten könnte die Lage des Dresdner Zoos im Großen Garten nicht passender sein – als kleine Oase mitten in der hektischen Stadt. Gerade deshalb schwankt das Erlebnis Zoobesuch auch immer zwischen Konstruktion und Wirklichkeit, nicht nur in Dresden. Wie viel „echte Natur“ können die Besucher_innen tatsächlich hier entdecken? Bleibt nicht der Zoobesuch letztendlich nur ein „lebendiges Museum, [dass] zur kulturellen Konstruktion von Natur und Wildheit“ beiträgt?2 Denn auch wenn sich der Dresdner Zoo in seiner über 150-jährigen Geschichte vielfach wandelte, bleibt die ambivalente Sichtweise darauf hochaktuell. In seiner Tradition bleibt der Zoologische Garten angreifbar: Sowohl tierrechtlich als auch in der Reproduktion von Stereotypen und Exotismus steht die Entstehung und Entwicklung der Zoos doch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem europäischen Imperialismus und Kolonialismus. Für diesen Zusammenhang braucht es gelegentlich einen zweiten Blick auf Geschichte und Gegenwart des Dresdner Zoos – dann jedoch tritt er deutlicher denn je in Erscheinung [Abb.1]

Tierschauen als Massenkultur

Der Zoologische Garten in Dresden war mit seiner Gründung 1861 der viertälteste Deutschlands und gehörte somit zu den Pionieren einer vorrangig bürgerlichen Gründungswelle naturwissenschaftlicher Initiativen. Öffentliche Zoos, in der Form, in der wir sie heute kennen, sind ein Produkt der Moderne. Sie gingen dabei nicht nur mit der imperialen und kolonialen Politik einher, sondern gleichsam auch mit den „Emanzipationsbestrebungen der bürgerlichen Öffentlichkeit, mit Industrialisierung“ und Urbanisierung.3 Nach der gescheiterten Revolution von 1848 gründeten sich parallel zu den Zoologischen Gärten viele kulturelle und naturwissenschaftliche Projekte, wie Theater, Opern und Naturkundemuseen. Als Kompensation zum politischen Misserfolg gegenüber dem Obrigkeitsstaat prägten die aufklärerischen Strömungen stattdessen stark die kulturelle Landschaft Deutschlands.4 Den Wunsch nach einem neuen, liberaleren Zugang zu Wissen, konnte sich die emanzipatorische Bürger_innengesellschaft somit zumindest in diesem Bereich erobern5 – Den Übergang zwischen den höfischen Menagerien und den späteren Zoos bildeten sogenannte Wandermenagerien, die sich bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts etablieren konnten.6 Expeditionen nach Afrika, Süd- und Nordamerika füllten schon damals die Tierbestände dieser Tierausstellungen und machten die „exotischen“ Tiere einem breiten Publikum zugänglich. Mit mehr als 50 Tieren, transportiert vor allem in kleinen Käfigen auf Pferdewagen und Kähnen, zogen die Menagerien durchs Land. Erstmals etablierte sich hier auch die Tierdressur als wichtiger Bestandteil der Vorführungen.7 Demnach war dem Volk die Idee der Zoologischen Gärten nicht völlig unbekannt, wurde aber ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur neuen Massenkultur. Ein Ort, an dem „urbane Hektik vergnüglich-lehrreichem Flanieren Platz“ machte8 und das (zumindest in Dresden) auch für einen großen Teil der Bevölkerung bezahlbar.

Neuer Glanz für die Residenzstadt durch den kolonialen Raubzug

Die Gründung des Dresdner Zoos wurde, wie auch in vielen anderen Städten, von einem Aktienverein getragen.9 Ausgehend von zwei naturwissenschaftlichen Vereinen, „Ibis“ und dem „Verein für Hühnerzucht“, wurden in der Stadt 1857 zwei „sehr erfolgreiche“ Geflügelausstellungen und ab 1859 in der Ostraallee der stationäre „Zoologische Versuchsgarten“ eingerichtet.10 Die Zoogründer, deren Kerngruppe aus Heinrich Reichenbach (noch heute Namensgeber für die „Reichenbachstraße“ auf Höhe des Studentenwerkes), Dr. Heinrich Drechsler und Dr. Friedrich Opel bestand, profitierten bei ihren Gründungsversuchen nicht nur von den Vorgängerprojekten in Frankfurt/M., Köln und Hamburg, sondern auch vom Zuspruch des Dresdner Stadtrates, der „das lebhafteste Interesse zur Durchführung des gedachten Projektes“11 bekundete. Selbst Friedrich Wilhelm IV., zu dessen engem Beraterkreis Reichenbach gehörte, lobte das Vorhaben als „ebenso großartige wie seltne Zierde“12 für die Stadt. Am 9. Mai 1861 wurde der Zoo schließlich am Großen Garten feierlich eröffnet.

Schon in den ersten Jahren nach der Eröffnung 1861 stiegen die Besucher_innenzahlen des Zoos stetig an – wurden in den ersten Monaten 122.000 Besuchende gezählt, konnte die Zahl der Gäste bereits 1863 auf 178.000 geschätzt werden.13 Wie die Zahl der Besucher_innen, erhöhte sich auch die Menge und Vielfalt der zur schaugestellten Tiere schnell. Neben der großen Zahl einheimischer Vögel, Hühner und Huftiere, waren es vor allem Importe und Geschenke aus anderen Teilen der Welt, welche eine hohe Besucher_innenzahl garantieren sollten. Die deutschen Kolonialbestrebungen waren dabei ebenso maßgeblich, wie die Expeditionen privater Unternehmer_innen und Wissenschaftler_innen, welche immer wieder „exotische“ Tiere als „Wildfänge“ mit nach Dresden brachten [Abb.2]. Die Anschaffung nicht-heimischer Tierarten diente vor allem bei „hochwertigen Tierarten“14 oft dem Ziel der Etablierung eigener Züchtungen, durch welche ein Weiterverkauf der Tiere und damit eine zusätzliche Einnahmequelle geschaffen werden konnte. Die kontinuierliche Aufzucht blieb jedoch lange weitestgehend erfolglos. Das frühe Ableben von Tieren anderer Regionen, wurde zwar mit Bedauern, aber als unumgänglich hingenommen.15 Grund dafür waren wohl auch die grausamen Haltungsbedingungen, die den, vor allem in Afrika und Südamerika beheimateten, Tieren zugemutet wurden. Das zeigt auch das Beispiel eines Löwenpaares, dass 1862 im Dresdner Zoo ankam: Weil das Raubtierhaus noch nicht fertig gestellt war, mussten die Tiere acht Monate lang in den Transportboxen leben. In dieser Zeit brachte die Löwin ihre drei Jungen zur Welt. In der Festschrift zum 140. Geburtstag des Zoos 2001 heißt es: „Leider kümmerte sie sich um ihre Kinder nicht. Zwei starben, das dritte nahm [Zoodirektor] Albin Schöpf der Rabenmutter weg und legte es einer kleinen Pinscherhündin an, die sich als gute Amme erwies.“16 Zynismus und Arroganz erreichen in solchen Aussagen wohl ihren traurigen Höhepunkt.

Die Liste der Tierimporte des Dresdner Zoos aus kolonisierten Gebieten ist lang. Einkäufe und Geschenke begrenzen sich aber nicht auf die deutschen Kolonien, vielmehr profitierte auch Dresden von der Kolonialpolitik anderer europäischer Staaten. Zwischen europäischen Zoos existiert(e) ein reger Handel mit eingefangenen und gezüchteten Tieren. So finden sich beispielsweise schon in den Anfangsjahren bis 1876 Zebras aus Südafrika, eine Giraffe aus Ostafrika, Löwen von Java, ein Elefant aus Indien und Kängurus aus Australien in der Gefangenschaft des Dresdner Zoos wieder. Die Liste könnte beliebig erweitert werden.17

Über den Tierhandel ist der Kolonialismus direkt mit der Geschichte des Dresdner Zoos verbunden. Denn ohne die imperiale Politik Europas wären Zoologische Gärten in ihrer heutigen Form nicht existent. Das System des „Entdeckens“ anderer Regionen ging unmittelbar einher mit der Unterwerfung und der Ausbeutung der dortigen Natur und Kultur. Der Dresdner Zoo war und ist Akteur und Nutznießer dieser Verbrechen. Auch nach offiziellem Ende der deutschen europäischen Kolonialzeit ist diese Art des Vorgehens bei der Beschaffung neuer Tierbestände weiterhin präsent. So waren die 1920er Jahre im Dresdner Zoo geprägt durch die Direktorenschaft Prof. Dr. Gustav Brandes‘. Unter ihm wurde Dresden zu einem der führenden Zoologischen Gärten im Bereich der Züchtung von Affen18. Bis heute hat Brandes hier einen heldenhaften Status – auch weil er es geschafft hatte, einen jungen Orang-Utan aufzuziehen. „Buschi“ kam auf der Überfahrt über das Rote Meer auf die Welt, seine Mutter war zuvor in Sumatra in Gefangenschaft geraten.19 Auch in den 1950er Jahren füllte der Dresdner Zoo seine Tierbestände weiter mit Wildfängen, so zum Beispiel eine Tantalus-Meerkatze aus dem mittleren Afrika oder mehrere Nilgiri-Languren aus Indien.20 Prominentestes Beispiel bleibt wohl aufgrund ihrer langen Lebenszeit im Dresdner Zoo die Elefantenkuh Schöpfi, die 1960 als Junges aus Indien nach Dresden gebracht wurde. Von ihrer Mutter getrennt, konnten die Pfleger_innen des Zoos sie während des Heranwachsens an die Dominanz durch den Menschen gewöhnen.21 Auch aufgrund der ausbleibenden gesellschaftlichen Akzeptanz derartiger Einkäufe und Fänge ist die Zahl der importierten Tiere heute geringer, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dennoch findet diese, an das Vorgehen der Kolonialzeit angelehnte, Methode bis heute statt. 1999 stand der Dresdner Zoo massiv in der Kritik, als zusammen mit dem Zoo in Erfurt, vier junge Elefanten aus Botswana importiert wurden, „die zuvor gewaltsam aus ihren Familienverbänden gerissen und mit Schlägen und Ketten ‚gebrochen‘ wurden“22

„Exotische“ Pseudorealität

Wie bereits festgestellt, sind die Tierbestände im Dresdner Zoo maßgeblich durch die europäische Kolonialpolitik gefüllt worden. Um erfolgreich wirtschaften zu können, reicht die bloße Zurschaustellung von Tieren jedoch nicht aus – stattdessen scheint es aufwendige Inszenierungen zu brauchen, um die Unterhaltung des Publikums zu generieren. Die Zoologischen Gärten schaffen dafür „ferne, exotische Welten“, in denen die Besuchenden einen Zufluchtsort aus der Stadt finden. Die Attraktivität steigt dabei umso mehr, desto größer die Aura des Geheimnisvollen ist. „Fremdes“ und „Exotik“ fasznieren die Gäste – und sorgen so für höhere Besucher_innenzahlen.23 Es ist ein Konzept, das seit der Zoogründung, nur wenig verändert hat. Zoologische Gärten verbinden zwei parallele Emotionen der Mensch-Tier-Beziehung: Einerseits sind sie Sichtbarwerdung der Machtverhältnisse. Das „wilde Tier“ wird vom Menschen durch „Einsperren, Anketten und Abschließen“ trotz seiner Stärke und unserer Furcht unterworfen. Im Zoo wird dem Menschen seine Dominanz über die Natur dauerhaft vor Augen geführt.24 Andererseits spiegeln die Zoologischen Gärten eine Natursentimentalität wider, in die sich der Mensch nach Urbanisierung und Industrialisierung zurücksehnt. Um dies zu überwinden, wird die Natur in den menschlichen Kulturraum integriert, obliegt also weiterhin der gesellschaftlichen Kontrolle.25 Oft schwingt eine gewisse Naivität und Verdrängung mit, wenn sich Besucher_innen im Zoo ein Bild von der „echten Natur“ machen wollen – die sich in Gefangenschaft aber nie wirklich darstellen lassen kann26 – „There is an inescapable difference between what an animal is and what people think an animal is.“27

Damals wie heute lassen sich im Dresdner Zoo Konzepte dieser Exotisierung von Tieren und ihren Gehegen finden. Tiere werden und wurden in Sinnzusammenhänge gesetzt, die zum einem gewissen Grad real, vor allem aber für die Besucher_innenn konstruiert wurden. Offensichtlich wird dies vor allem wenn von „Orient“ oder „Afrika“ als ganzheitliche Begriffe gesprochen wird. So zeigte das Kamelhaus aus den 1860er Jahren [Abb.3] die deutliche Konstruktion einer vermeintlich „orientalischen“ Welt. Die Tiere wurden in einen Kontext eingebettet, der sie in den gesellschaftlichen Vorstellungen ästhetisierte.28 Entsprechend den eigenen Bedürfnissen nach (oft auch wohlwollenden) Klischees entspricht die Konstruktion der „Fremde“ auch immer einer gewissen Sehnsucht, die nur so lange aufrecht zu erhalten ist, solange das eigene Wissen über diese Gegend nicht zu umfangreich wird. Die Klischees über den Orient entspringen ebenso dieser Tradition, wie auch das Bild vom „wilden Afrika“, das der Zoo noch heute vermittelt. Das 1999 eröffnete Afrikahaus [Abb.4] stellt einen ganzen Kontinent in einen exotistischen Kontext, wobei deutlich wird wie sehr sich diese konstruierte „afrikanische“ Welt von der Zivilisation draußen unterscheidet. Durch ein grünes Meer unterschiedlichster Pflanzen bewegen sich die Besucher_innen auf „weichem Waldboden“.29 Der künstliche Dschungel – eine Reproduktion der ‚klassischen‘ kolonialen Klischees über Afrika – endet jedoch abrupt am Innengehege der drei Elefantenkühe, die „im Haus beheimatet sind“30. Hier dominieren Steinboden und Metallstäbe die Kulisse. Das Dickicht der Pflanzen sehen die Tiere nur hinter der Absperrung, es ist dem Menschen vorbehalten. Dies zeigt deutlich, für wen die ‚schöne, grüne Scheinwelt‘ geschaffen wurde: Entscheidend sind die Erholungs- und Erlebniswerte, nicht aber für die Tiere, die hier dauerhaft leben müssen, sondern für die Betrachter_innen.

Verpasste Chancen

Im Selbstverständnis des Zoos in Dresden spielt all‘ das jedoch keine Rolle. Entsprechend unkritisch wurde auch das 150-jährige Bestehen 2011 gefeiert, maßgeblich unterstützt durch die Berichterstattung der lokalen und regionalen Medien. „Heute ist er größer und schöner denn je.“, so der MDR – von einer Auseinandersetzung mit der kolonialen und tierrechtlich inakzeptablen Tradition des Zoos fehlt jede Spur. Zwar könne „man den Zoos von heute nicht die katastrophale Tierfangpraxis von einst zum Vorwurf machen. Doch kann man heutigen Zoodirektoren vorwerfen, dass sie dieses dunkle Kapitel der Zoogeschichte nicht nur beschönigen und verklären, sondern jene Teile des Kapitels, in denen es besonders grausam zuging, verschweigen“, schreibt der Journalist Gerhard Staghun31. Der Dresdner Zoo profitiert dabei enorm von der medialen Beschönigung die ihm zugute kommt, nicht nur aus Sachsen. So berichtete das Hamburger Abendblatt 2011 von der Ameisenbärin Juanita, die aus Paraguay importiert „nach fast 100 Jahren wieder ein exotischer Neuzugang dieser Art im Zoo Dresden“ war. Sie „stamme [weil sie zahm sei] wohl aus einer Aufzuchtstation“, eine weitere Recherche fand scheinbar nicht statt.32

Seit dem Jubiläum 2011 ist auch eine Reise durch die Geschichte des Dresdner Zoos Teil des Zoorundgangs. Auf mehreren Informationstafeln wird hier ein Überblick über dessen historische Entwicklung gegeben. Kritikwürdige Ereignisse werden dabei ausgespart oder romantisierend umschrieben. Sie bedienen sich dabei gleichzeitig kolonialen Stereotypen, wenn etwa von „abenteuerlichen Reisen“, des ehemaligen Zoodirektors Prof. Dr. Wolfgang Ullrich „besonders in Afrika und Indien“, die Rede ist. 33 Eine Distanzierung von der eigenen Geschichte findet im offiziellen Selbstbild des Dresdner Zoos keinen Platz. So überrascht es nicht, dass auch die sogenannten Völkerschauen, die um die Jahrhundertwende von tragender Bedeutung im Zooprogramm waren, kaum erwähnt werden. Im Gegenteil wird dieses Verbrechen noch zynisch von den Medien bagatellisiert: Der Zoo habe „exotisch wirkende Menschen aus aller Herren Länder gezeigt“34, berichtete der MDR. Eine Möglichkeit der Aufarbeitung böte eine Plastik von Erich Hösel aus dem Jahr 1894, die bereits seit 1925 im Besitz des Zoos ist. Unter dem rassistischen Titel „N*sträfling mit Schweißhund“ [Abb.5] stellt sie einen vermeintlich Schwarzen Mann dar, der sich, seine Ketten zerreißend, gegen den Angriff eines Hundes wehrt. Auf dem Zoogelände wirkt die Skulptur zusammenhangslos und verloren, ob sie von der Mehrheit der Besucher_innen überhaupt wahrgenommen wird, scheint fraglich. Zumal jegliche Einordnung oder Information zur (eigenen) rassistischen und kolonialen Geschichte fehlt. Der der Zoo verpasst so jede Möglichkeit, sich konstruktiv und kritisch mit der eigenen Historie auseinanderzusetzen.

Zoo heute und damals – wirkliche Verbesserungen?

Die öffentliche Meinung ist im Umgang mit Tierhaltung und -beschaffung, heute sicherlich kritischer als vor 150 Jahren. Dennoch zeigt der Dresdner Zoo deutlich, dass gravierende Mängel in der reflektierten Auseinandersetzung mit der Tradition der Zoologischen Gärten bestehen. Es bleibt ein durchweg eurozentrisches und anthropozentrisches Gesellschaftsbild, dass der Dresdner Zoo vermittelt. Vielleicht ist es heute nicht mehr möglich, Schimpansen in bayrischer Tracht vor Publikum tanzen zu lassen ohne einen allgemeinen Aufschrei zu verursachen [Abb.6], tanzende Elefanten schauen sich die Besucher_innen aber noch immer begeistert an.35 Der Umgang und die Haltung der Tiere in Dresden werden von Tierrechtsgruppen seit Langem kritisiert.36 Solange aber der Wille zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte fehlt und von medialem Druck keine Spur ist, werden wohl auch die Besucher_innen dies nicht fordern. Denn letztendlich liefert auch der Dresdner Zoo genau das, was die Gäste sehen wollen: ‚Geheimnisvolle‘, „fremde Welten“ mit niedlichen und gefährlichen Tieren – um ein paar Mal im Jahr sehnsüchtig abzutauchen, bevor es wieder zurückgeht in den Stress des alltäglichen Lebens. Nur für die Tiere gibt es dieses Zurück nicht mehr.

Sophie Kempe

1 www.zoo-dresden.de [eingesehen am 20.02.2014].

2 M. Boscali: Eye on the Flesh, Fashions of Masculinity in the Early Twentieth Century, in: Westview Press (1996), S. 102.

3 C. Wessely: Künstliche Tiere: Zoologische Gärten und urbane Moderne, Berlin 2008, S.155.

4 Vgl. U. Anhalt: Die gezähmte Bestie. Sozialgeschichtliche Hintergründe der Entwicklung von Zoos, einsehbar unter http://utzanhalt.de/?page_id=169 [eingesehen am 20.2.2014].

6 U. Anhalt: Tiere und Menschen als Exoten. Exotisierende Sichtweisen auf das „Andere“ in der Gründungs-und Entwicklungsphase der Zoos, Saarbrücken 2008, S. 66.

7 Vgl. A. Rieke-Müller/L. Dittrich: Der Löwe brüllt nebenan. Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833-1869, S. 11-13.

8 C. Wessely. Künstliche Tiere: zoologische Gärten und urbane Moderne. S. 156.

9 A. Rieke-Müller/L. Dittrich. Der Löwe brüllt nebenan: Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833-1869, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 133.

11 Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv, C XXV Nr. 112, Vol. 1, S. 1f.

12 Ebd., F VI 167 f, Vol. 1, S. 156ff.

14 Vgl. beispielsweise Aktienverein Zoologischer Garten – Berichte des Vorstandes, Dresden 1910, S. 6.

15 Vgl. Berichte des Vorstandes über das Jahr 1910, 1911, 1912 für die ordentliche Hauptversammlung, Dresden: 1910, 1911, 1912.

16 W. Ullrich: Geschichte und Geschichten vom Dresdner Zoo – Festschrift 1. Teil, Dresden 1961, S. 20.

17 Vgl. Dresdner Zooführer, Dresden 1876.

18 W. Ullrich: Geschichte und Geschichten vom Dresdner Zoo – Festschrift 2. Teil, Dresden 1961 S. 20.

20 W. Ullrich: Geschichte und Geschichten vom Dresdner Zoo – Festschrift 2. Teil, S. 48f.

21 Tierrechtsgruppe Dresden (Hg): Zynismus in Reinform oder die Lobpreisung der Schande. Der Zoo Dresden, anlässlich seines 150-jährigen Jubiläums, S. 10

23 U. Anhalt: Tiere und Menschen als Exoten, Hannover 2007, S. 10.

24 Vgl. das Zitat bei C. Wessely: Künstliche Tiere: zoologische Gärten und urbane Moderne, S. 2.

25 U. Anhalt: Tiere und Menschen als Exoten, Hannover 2007, S. 50.

26 Vgl. U. Anhalt: Die gezähmte Bestie.

27 N. Rothfels: Savages and beasts: The birth of the modern zoo, Baltimore 2002, S. 5.

28 B. Mullan/M. Garry: Zoo culture, Champaign 1999, S. 3.

30 Ebd.

31 G. Staghun: Tierliebe. Eine einseitige Beziehung, München 1996, S. 139.

33 Aufschrift einer Informationstafel zur Periode der 1950er Jahre im Dresdner Zoo.

34 Tierrechtsgruppe Dresden (Hg): Zynismus in Reinform, S. 6.

35 Zum selbst anschauen: http://www.youtube.com/watch?v=gnb1N_MLdcY Minute 2:20.

36 Tierrechtsgruppe Dresden (Hg): Zynismus in Reinform, S. 10f.