„Wie die aufgehende Sonne …“

‚Asiatische‘ Fremdheit und Dresdner Tee

„Wie die aufgehende Sonne das Sinnbild desjenigen Landes verkörpert, das uns Tee liefert, der an Aroma und Feinheit unerreicht ist, so repräsentiert die Marke Teekanne das Symbol für seit 30 Jahren bestbewährte Qualitätsteemischungen.“1 Mit diesen, die eigentliche Herkunft ihres Produktes verunklarenden Worten – War China gemeint? Oder Japan? – bewarben die Dresdner Teeimporteure R. Seelig & Hille 1920 ihr Angebot und ihre bis heute vertriebene Marke „Teekanne“ [Abb. 1]. Teekonsum wies dabei dem Konsum anderer kolonialer Rohstoffe wie Kakao, Kaffee oder Tabak vergleichbare Entwicklungslinien auf: Auch der Tee kam mit der Expansion mitteleuropäischer Mächte verstärkt nach Europa und nach Sachsen. Überdies finden wir auch beim Tee Statuszuschreibungen im Konsum – die dargestellte Fremdheit der Anderen war mit gesellschaftlichen und rassistischen Bildern von Wertigkeit verbunden.

Die Begeisterung für das vermeintlich Asiatische war dabei Bestandteil des Orientalismus des 18. Jahrhunderts, der allerdings geographisch keine Unterschiede machte zwischen Regionen und Kulturen, zwischen Indien, Ägypten oder China etwa: Es ging bei der Rezeptionen jener Regionen und Kulturen nicht um ein ‚Verstehen‘, sondern um die Konstruktion einer „Identität der westlichen Welt“ aus der wahrgenommenen Differenz – es ging um die „Expression europäischer Fantasien in der orientalischen Kulisse“.2 In Europa und den deutschsprachigen Regionen interessierte man sich vor allem im Zuge der Aufklärung zunehmend für diese ‚entlegenen‘ Gebiete – reiste, beschrieb, sammelte (Reiseberichte, frühe Volkskunde). Ähnlich den Bildern der Fremdheit, die den afrikanischen Kulturen entgegengebracht wurden, war das entworfene Bild aber keineswegs einheitlich. Vielmehr war der Orientalismus von einer Bandbreite von Zuschreibungen und Verkürzungen geprägt: „Der Name China war gleichbedeutend mit Märchenland, bezeichnete eine Utopie oder gar den Garten Eden.“ Und mehr noch, das „Land des Lächelns“ galt den Europäer_innen als „Land der Liebenswürdigkeit und Höflichkeit, der ausgesuchten Umgangsformen“, das voll war „von prachtvollen, riesenhaften Blumen, mit Früchten im Überfluss, zauberhaften Vögeln und seltsamen Tieren“.3 Der Blick auf den Orient und auf den asiatischen Raum erfüllte demnach als bewusste Konstruktion Funktionen, er wird bis heute „als Projektionsfläche benutzt, um europäische Bedürfnisse und Fantasien in ein je nach Bedarf nützliches, verspieltes, gefährliches oder prächtiges Gewand zu kleiden.“4 Diese Ausdrucksformen finden wir auch in der Dresdner Tee-Werbung, die einerseits mit der exotischen bzw. erotischen Fremde, andererseits aber auch mit dem Bild des höflich-unterwürfigen Menschen arbeitete, für den sich die Darstellung als Diener_in besonders eignete.

‚Asiatischer‘ Exotismus in Dresden

Die beschriebene Rezeption des ‚asiatischen Orients‘ folgte auch in Dresden drei Entwicklungslinien: Erstens war sie von der Präsenz kolonialer Produkte und Genussmittel wie eben Tee geprägt, zu denen zeremonielle Gerätschaften gehörten („Japangeschirr“). Letztere verweisen auf die Dresdner Sammlungen der Barockzeit, in denen chinesisches oder japanisches Porzellan einen eigenen Schwerpunkt bildete. Und mehr noch: Die Entwicklung des Porzellans in Europa und Sachsen führte zur verstärkten Verbreitung kolonialer Produkte wie eben Kaffee oder Tee – in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden sich entsprechende Utensilien beispielsweise vermehrt im Besitz bürgerlicher Familien in Dresden.5 Die als „Chinoiserie“ bezeichnete Begeisterung für das ‚asiatische Fremde‘ schlug sich aber in Dresden zweitens auch in Architektur und baulicher Ausschmückung nieder: Das Asienbild der Zeit können wir im Detail noch am Japanischen Palais nachvollziehen, ebenso in Pillnitz, das August der Starke ab 1720 als „orientalisches Lustgebäude“ planen und bauen ließ.6 Und gerade jene Verbindung von Exotik und Erotik sollte ein wesentlicher Bestandteil der Werbung für Tees werden, auch in Dresden. Drittens schließlich lassen sich bei der ‚Begeisterung für Asien‘ noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert Konjunkturen erkennen – die Japan-Mode oder ‚asiatisch‘ eingerichtete Zimmer in Bürger_innenwohnungen deuten auf eine Kontinuität in der Rezeption hin, wenngleich sie immer mit Idealisierungen und den ‚europäischen‘ bzw. spezifisch ‚deutschen‘ Vorstellungen über den asiatischen Raum verbunden waren.

War der Konsum von Tee demnach bereits im 18. Jahrhundert verbreitet, so trat er erst in den 1890er Jahren seinen Weg zum Massenkonsumartikel an. Eng verbunden mit diesem Prozess ist die Entwicklung des modernen Marketings – der Schokolade nicht unähnlich galt es anfangs, nicht lediglich das Produkt eines Herstellers zu bewerben, sondern „den Teegenuß selbst zu propagieren.“7 Eine bedeutende Rolle kam dabei dem Dresdner Unternehmen R. Seelig & Hille zu, das aus einem „Japan- und Chinawaren Importhaus“ hervorging und das sich zunehmend auf den Teehandel spezialisierte:8 1906 beschäftigten die Teeimporteure bereits über 70 Menschen in Dresden, die mit der Sortierung und der Verpackung der beispielsweise aus Ceylon oder Java stammenden kolonialen Ware befasst waren – das Jahr 1906 markiert dabei generell das Jahr, in dem der Teekonsum im Deutschen Reich massiv zunahm. 1930 sortierten und verpackten dann bereits 300 Menschen in Dresden die Produkte, die mittlerweile unter dem Label „Teekanne“ im In- und Ausland bekannt geworden waren.9

Dass solche wirtschaftlichen Prozesse, die zum Massenkonsum kolonialer Produkte führten, bisweilen auch von den nationalen und kolonialen Zusammenhängen abgekoppelt verliefen bzw. von diesen wenig beeinflusst waren, zeigt nicht nur der ‚Import‘ der Teekultur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus England – aus einem Land also, mit dem das Deutsche Reich um die Machtverteilung in der Welt konkurrierte. Deutlich wird dies auch im negativen Bild Chinas, das im Zuge des Boxeraufstandes (1899-1901) im Deutschen Reich propagiert wurde, an der Wende zum 20. Jahrhundert war immer wieder von der „Gelben Gefahr“ gesprochen und geschrieben worden.10 Die Niederschlagung des „Boxeraufstandes“ und die sogenannte Hunnenrede des Kaisers Wilhelm II. trugen dabei deutlich die Handschrift der kolonialen Unterwerfung11 – ‚Asiat_innen‘ waren in der Darstellung zwar durch eine eigene Kultur gekennzeichnet. Im Verhältnis zu den Europäer_innen wurde ihnen aber die Rolle des dienenden Menschen zugewiesen, das Zugeständnis einer eigenen Kultur stand nicht für Eigenständigkeit.12

Exotik und Erotik in der Dresdner Teewerbung

Von Beginn an dominierten die ‚asiatischen Motive‘ die Werbung der Dresdner Teeimporteure, die sich nicht nur in der verwendeten Schrift niederschlugen. Vielmehr zeigten Verpackungen, Reklameschilder und -marken ‚dienende Asiat_innen‘ und ‚idyllische‘ Plantagenansichten mit Palmen, auch finden sich ‚malerische asiatische‘ Landschaften mit weiten Seen und Dschunken vor Bergpanoramen.13 Die Außendarstellung und auch die Rezeption in der Teewerbung bediente dabei die ‚positive Variante‘ der ‚Oriental_innen‘, die sich schon im 18. Jahrhundert entwickelt hatte: Als 1926 im Kontext der Jubiläumsgarten- und internationalen Kunstausstellung in Dresden in einem der „Sondergärten“ der „Teekanne-Pavillon“ eröffnet wurde, war in der Dresdner Presse zu lesen, das Produkt der Firma Teekanne stehe für die „abgeklärte Ruhe des vornehmen Orientalen.“14 Diesem Bild des ‚vornehmen Orientalen‘, das sich auch in der Dresdner Zigarettenwerbung fand, war aber ein zweites Bild beigeordnet: das der erotischen ‚asiatischen‘ Dienerin, das die Werbung für Tees nicht nur in Dresden deutlich dominierte. Schon auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 war das Dresdner Teehandelshaus R. Seelig & Hille mit einem Pavillon präsent, hier wurden – dem Ansatz der Völkerschauen folgend – „Damen aus Japan“ regelrecht ‚importiert‘ und ausgestellt.15 Überdies finden sich auf den Plakaten und Verpackungen der Dresdner Firma immer wieder Darstellungen, die eine „Javanerin“ oder eine „schöne Asiatin“ erotisch – zumeist schulterfrei – und ‚sinnlich blickend‘ präsentierten [Abb. 2].16 Dieses Motiv, das in Westdeutschland auch nach 1945 weiterverwendet wurde, fand sich auch in der Figur der „O-Toyo“ – einer „verstoßenen Geisha“ mit „blassen Lippen“ –, die die Firma 1926 entwickelte.17 1938 folgte dem der Werbetonfilm „O-Toyo, das schöne Teehausmädchen, und die 5 Teefix-Boys“18 – hier wurden also erotischer Exotismus und die Unterwerfung des Dieners miteinander verbunden.

Gleich der Werbung für Schokolade oder Zigaretten würde es aber zu kurz greifen, die Außendarstellung von Teeprodukten auf die ‚asiatischen‘ Motive zu verkürzen: Dosen der Marke „Teekanne“ wurden in den 1920er Jahren ebenso mit regionalen Bildern beworben und trugen etwa die Dresdner Stadtsilhouette oder bekannte Sehenswürdigkeiten, andere Dresdner Teeanbieter zeigten auf ihren Sammelbildern Persönlichkeiten der Nationalgeschichte wie Gneisenau, Stein oder Körner [Abb. 3]. Vergleichbare Tendenzen der Regionalisierung im Prozess der Globalisierung lassen sich auch in den Themen der Sammelbilderalben von „Teekanne“ deutlich machen: Schließlich war es nicht die fernöstliche Kultur und eine vielleicht in Zeiten des deutsch-japanischen Bündnisses (1940) politisch gewollte Thematisierung Japans. 1935 jedenfalls erschienen gleich drei Alben zu regionalen Themen der Kunst, namentlich die „Meisterwerke der Staatlichen Gemäldegalerie im Zwinger zu Dresden“, die „Meisterwerke der Staatlichen Gemäldegalerie Berlin“ und die „Meisterwerke der Staatlichen Gemäldegalerie München“. Weitere Alben des Hauses scheint es nicht gegeben zu haben.19 Das hier angedeutete Abweichen von ‚asiatischen Motiven‘ war allerdings nicht nur den Präferenzen der Käufer*innen geschuldet, vielmehr wich die Firma Teekanne selbst von den zeremoniellen Hintergründen ihres Produktes ab: Schon 1914 hatte man im Teekanne-Stammhaus Dresden den Teebeutel entwickelt, der in den 1920er Jahren „den Teeverbrauch und die Teesitten“ in Deutschland und der Welt nachhaltig veränderte.20

Exotismus in der DDR

Die Werke der Firma Teekanne wurden aufgrund der Bombardierung der Stadt Dresden im Februar 1945 stark beschädigt, die Eigentümer nach der Befreiung enteignet. 1949 wurden die geborgenen Maschinen nach Radebeul überführt und der VEB Kaffee Weber-Teekanne gegründet, der ab 1953 als VEB Kaffee und Tee firmierte und im Jahr darauf die DDR-Teemarke „Teehaus“ vertrieb.21 Und gleich den Schokoladen- und Zigarettenverpackungen finden wir auch hier in den 1950er und 1960er Jahren die kolonialen Motive wieder: Die preiswerte DDR-Kaffeemarke „Kosta“ ‚zierte‘ ein dunkelhäutiger Kaffeeträger [Abb. 4] und das Logo der Marke „Teehaus“ zeigte einen Pavillon mit geschwungenem Dach, generell hatten die Verpackungen des VEB Kaffee und Tee in Schrift und Farbgebung eine ‚asiatische‘ Anmutung [Abb. 5].22 Das ‚Exotische‘ und das ‚Fremde‘ blieben also auch auf den Teeverpackungen der DDR Teil der Außendarstellung, wobei die Herkunft der Tees selbst zumeist in Indien zu verorten war, weitere Tee-Lieferanten der DDR waren Georgien und ‚afrikanische Bruderstaaten‘ wie Mosambik.23 Während das Teehaus-Logo bis 1989 – und auch noch heute von dem weiterhin bestehenden Unternehmen – verwendet wurde, wurden gleich der Schokolade die kolonialen Motive auf den Verpackungen von Kaffee spätestens in den 1970er Jahren gänzlich weggelassen – den Produkten wurden keine Bilder mehr beigegeben. In der DDR blieb damit die Darstellung und Wahrnehmung des Produktes Tee mit Ländern wie China oder Japan verbunden – auch wenn die Herkunft des Tees damit kaum noch in Zusammenhang stand. Gewissermaßen setzte sich damit jene Verkürzung des Orientalismus des 18. und 19. Jahrhunderts fort, die sich bis in die Gegenwart gerade bei diesem Produkt finden lässt. Verstärkt wurde diese Entwicklung mit Blick auf das Dresdner Unternehmen Teekanne durch den Umstand, dass die Firma nach 1945 in Nordrhein-Westfalen wiedergegründet wurde: Hier wurde in der Werbung nahezu bruchlos auf die koloniale ‚Bilderwelt‘ der Zeit vor 1945 zurückgegriffen, in den 1950er und 1960er Jahren wurde beispielsweise „Rita“ als „Teekannes Werbedame“ präsentiert – wieder eine ‚asiatisch‘ anmutende Frau, die als Dienerin den Tee servierte.24

Swen Steinberg

1 Aus einer Zeitschrift ausgeschnittene Werbung, S. Steinberg (Dresden), privat.

2 Vgl. hierzu und für die Zitate L. Bilgic/M. Fabian/C. Schwetasch/R. Stock: Dresdner Orientalismus, in: R. Lindner/J. Moser (Hg.): Dresden. Ethnografische Erkundungen einer Residenz (Schriften zur Sächsischen Geschichte und Volkskunde 16), Leipzig 2006, S. 207-236, hier: S. 208f.

3 Zitiert nach ebd., S. 214.

4 Ebd., S. 209.

5 Vgl. C. Hochmuth: Globale Güter – lokale Aneignung. Kaffee, Tee, Schokolade und Tabak im frühneuzeitlichen Dresden (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 17), Konstanz 2008, S. 141, 145, 149-151.

6 Vgl. hierzu wie zu Dresden in der Zeit allgemein L. Bilgic/M. Fabian/C. Schwetasch/R. Stock: Dresdner Orientalismus, S. 213-216.

7 J. Schmitt: Teekanne G.m.b.H. Tee-Ein- und -Ausfuhr – Großpackerei Dresden (Musterbetriebe deutscher Wirtschaft 23), Berlin 1930, S. 39.

8 A. Dubbers: Teekanne macht den Tee seit 125 Jahren, Düsseldorf 2007, S. 19-21.

9 Ebd., S. 25, 27, 41. Vgl. zur Herkunft des in Europa und Deutschland konsumierten Tees um 1930 J. Schmitt: Teekanne, S. 14-19.

10 Vgl. W. Lui: Von der „Gelben Gefahr“ zur Eroberung Chinas, in: A. Honold/K. R. Scherpe (Hg.): Mit Deutschland um die Welt. Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit, Stuttgart/Weimar 2004, S. 247-253.

11 Vgl. hierzu B. Sösemann: Die sogenannte Hunnenrede Wilhelms II. Textkritische und interpretatorische Bemerkungen zur Ansprache des Kaisers vom 27. Juli 1900 in Bremerhaven, in: Historische Zeitschrift 222 (1976), Heft 2, S. 342-358.

12 Vgl. W. Lui: Von der „Gelben Gefahr“, S. 253.

13 Vgl. hierzu die zahlreichen Bildbeispiele in A. Dubbers: Teekanne.

14 Zitiert nach ebd., S. 34.

15 Vgl. ebd., S. 29.

16 Vgl. ebd., S. 44, 52, 78.

17 Ebd., S. 57.

18 Vgl. ebd., S. 80-81.

19 Vgl. zu den regionalen und nationalen Motiven sowie zu den Sammelbilderalben der Firma die Beispiele in A. Dubbers: Teekanne, S. 31, 66, 68-69, 76-77, 79.

20 Ebd., S. 31.

21 Vgl. die auf der Homepage des bis heute bestehenden Unternehmens zusammengetragenen Daten unter http://www.teehaus-tee.de/historie.

22 Vgl. hierzu die Bildbeispiele in A. Dubbers: Teekanne, S. 171-175.

23 H. Butters: Zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit der DDR mit Mosambik, in: U. von der Heyden/I. und H.-G. Schleicher (Hg.): Die DDR und Afrika. Zwischen Klassenkampf und neuem Denken, Münster/Hamburg 1993, S. 165-173, hier: S. 170.

24 Vgl. A. Dubbers: Teekanne, S. 95-121, 139-157, hier vor allem S. 138, 141.