Offener Brief and das Albertinum Dresden

Offener Brief von DDekolonisieren an das Albertinum Dresden und die Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens


Sehr geehrte Direktorinnen und Leiterinnen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden,
sehr geehrte Frau Prof. Dr. Marion Ackermann,


Dresden ist eine Stadt mit einer extrem hohen Museumsdichte. Museen übernehmen wichtige Aufgaben der kulturellen und gesellschaftlichen Bildung. Als gutes Beispiel dafür, wie Museen in Dresden diese Aufgabe – für alle Menschen, unabhängig von finanziellen Ressourcen – übernehmen, ist hierbei das niedrigschwellige Angebot „Sonntag ab drei, Eintritt frei“ zu nennen. Die Vielfalt in den Ausstellungen ist dabei bemerkenswert.
Dieses positive Erlebnis wird allerdings von einigen Beobachtungen getrübt. Besucherinnen müssen feststellen, dass es insgesamt wenig Erläuterung oder Einordnung zu den Ausstellungsstücken gibt. Der Audio-Guide liefert sicherlich an einigen Stellen gute Erklärungen. Besucherinnen ohne Guide (dies betrifft z.B. auch Gehörlose) haben allerdings keine Chance auf mehr Informationen als nur Titel, Künstlerin und Jahr. Tafeln mit Informationen zur Epoche und geschichtlichem Kontext als grobe Einordnung, wie in manchen der Ausstellungen vorhanden, könnten als erster Schritt bereits viel leisten. Die Ausstellungen setzen viel Wissen zu den geschichtlichen und kolonialen Hintergründen voraus, anstatt diese Kontexte direkt zu thematisieren und zu erläutern. Dies erhöht auch die Barriere für einen Besuch. Erschütternd und besorgniserregend allerdings ist die Reproduktion von rassistischer Sprache und rassistischen Stereotypen innerhalb der Ausstellungen. Exemplarisch sind folgende Werke aus dem Albertinum zu nennen: die „Bilder der Ägyptenreise“ von Max Slevogt (insbesondere Gal. No. 2561) und die Bronze-Statue mit dem Titel „Mkopf“. Hier werden die rassistischen Titel unkommentiert und ohne Kontextualisierung abgedruckt. Erschreckenderweise sind dies nur zwei Beispiele von vielen. In der Online-Collection der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, zu der auch die Ausstellungen des Albertinums gehören, liefert das N-Wort alleine als Suchbegriff unfassbare 74 Treffer, die neben der rassistischen Betitelung selbst hochgradig rassistische Figuren, Spielzeuge und andere Werke zeigen.

Bildung und Vermittlung von Wissen sind laut Museumsbund zentrale Bestandteile der Arbeit im Museum. In diesem Zusammenhang betrachten wir es als elementar, dass die Verknüpfung von Werken zu Kolonialismus und Rassismus offengelegt und kritisch reflektiert wird. Darüber hinaus müssen Ausstellungsstücke zu ihrer Bedeutung für unsere gesamte Gesellschaft hinterfragt werden. Ermöglichen sie neue Erkenntnisse und Denkanstöße? Erleuchten sie bisher vernachlässigte Elemente einer Epoche? Oder aber reproduzieren und zementieren sie koloniale und rassistische Narrative und sind deshalb aus Ausstellungen zu entfernen?
Weltweit fordern Menschen eine längst überfällige Auseinandersetzung mit und Aufarbeitung von Kolonialverbrechen. Sie setzen sich für die Umgestaltung des öffentlichen Raums ein, zum Beispiel in Form der Umbenennung von Straßen, und fordern eine kritische Auseinandersetzung mit den Lehrplänen unserer Schulen. In dieser Debatte spielen staatliche Museen ebenso eine entscheidende Rolle. Sie müssen Verantwortung übernehmen für die Kontextualisierung ihrer Ausstellungsstücke in einer kolonial geprägten Gesellschaft und für die zugehörige Bildungsarbeit. Museen tragen des Weiteren Verantwortung ihre eigene institutionelle Geschichte kritisch zu betrachten und im Zuge dessen sich ernsthaft mit Repatriierungen und Rückgabeforderungen von Gegenständen, welche in gewaltsamen kolonialen Kontexten angeeignet wurden, auseinanderzusetzen und diese in die Wege zu leiten.
Folgende Schritte könnten dabei einen Anfang setzen:
Rassistische Sprache in Titeln oder Beschreibungen entfernen und durch z.B. Sternchen-Optionen ersetzen und im Anschluss kommentieren. Die Relevanz und Rolle solcher rassistisch betitelten Werke muss diskutiert werden und dabei sollten Perspektiven von Menschen mit Rassismuserfahrungen einbezogen werden. Das Ziel ist die Diversifizierung der Kulturlandschaft, die die Perspektiven aller Menschen in unserer pluralen und diversen Gesellschaft abbildet.


Wir hoffen mit diesen Anliegen bei Ihnen auf offene Ohren zu stoßen und freuen uns auf Ihre Antwort.

Gezeichnet:


Dresden Dekolonisieren
Mitzeichnende:
GRÜNE JUGEND Sachsen
Dresden Postkolonial
Jusos Sachsen
Jusos Dresden

linksjugend [’solid] dresden
Curly Culture Dresden
Afropa e.V.


Kontaktmöglichkeit: ddekolonisieren@riseup.net