Straßenumbenennung in Löbtau in Gedenken an die Opfer des „NSU“

Im folgenden Dokumentieren wir die Pressemitteilung der antifaschistichen Initiative Löbtau die uns heute erreicht hat.

Anlässlich des bevorstehenden 5. Jahrestages der Selbstenttarnung des sogenannten NSU sind letzte Nacht in Dresden-Löbtau die Bünaustraße und Reisewitzer Straße symbolisch umbenannt worden. Die Straßen tragen jetzt die Namen zweier Opfer des rechten Terrors: Enver Şimşek und Halit Yozgat. Die Antifaschistische Initiative Löbtau (AIL) bekennt sich zu der Umbenennung und möchte damit an die Opfer der rechtsterroristischen Mordserie gedenken. Gedenktafel „Die Perspektive von Betroffenen rechter Gewalt ist auch nach dem Auffliegen des NSU in der öffentlichen Debatte nicht ausreichend präsent. Die Straßenumbenennung macht die Namen der Opfer zumindest symbolisch sichtbar“, begründet Jona F. (AIL) die Aktion. Enver Şimşek war das erste Todesopfer des sogenannten NSU. „Die Ignoranz der Ermittlungsbehörden gegenüber alltäglicher rechter Gewalt drückte sich damals im Ausschließen von rassistischen oder rechtsterroristischen Motiven aus. Ermittlungen wurden ausschließlich im Umfeld der Familien geführt. Wir möchten an dieser Stelle auf den institutionellen Rassismus der Ermittlungsbehörden hinweisen, welcher den Fortgang der Mordserie in unseren Augen mit ermöglichte.“ erläutert die Gruppe weiter. Enver Şimşek war Vater von zwei Kindern und betrieb einen Blumengroßhandel. Er starb am 11. September 2000, nachdem er am 09.September 2000 an einem Verkaufsstand seines Betriebes in Nürnberg niedergeschossen wurde. Halit Yozgat lebte in Kassel und betrieb dort ein Internetcafé. In diesem wurde er am 06. April 2006 erschossen. Zur Tatzeit befand sich ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz im Internetcafé. Die Anwesenheit eines Beamten zur Tatzeit, ist ein Beispiel für die vielen Skandale in Hinblick auf die Rolle von deutschen Sicherheitsbehörden im Kontext des NSU.

„In Sachsen wurden aus den zahlreichen Skandalen rund um den sogenannten NSU keine Lehren gezogen und

ein öffentliches Gedenken an die Opfer des NSU gibt es nicht. Im Gegenteil: Der Burschenschaftler Gordian Meyer-Plath ist heute Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen. Er trägt als V-Mann-Führer der 1990er Jahre mit die Verantwortung, dass das Kerntrio um Beate Zschäpe,

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht gefasst wurde und untertauchen konnte. Gezogene Konsequenzen aus den zahlreichen Skandalen des Verfassungsschutzes sehen anders aus.“ so die Initiative. Der Stadtteil Dresden-Löbtau wurde bewusst für die Straßenumbenennung gewählt. In diesem Stadtteil lebte Thomas S., ein Unterstützer des Naziterrors. Er gehörte gemeinsam mit Jan W. zur Führungsriege der im Jahr 2000 verbotenen sächsischen Blood & Honour Sektion. Dieses Netzwerk beschränkte sich keineswegs auf den Vertrieb von Nazimusik und die Organisation von Rechtsrockkonzerten. Das Netzwerk verfolgte ebenso den Aufbau militanter Terrorzellen. Thomas S. besorgte dem NSU-Kerntrio in den 1990er Jahren Sprengstoff und kümmerte sich um eine erste Unterkunft in Sachsen. Jona F. sagt hierzu: „Eine Thematisierung des NSU und seine Aufarbeitung findet in Dresden bisher nicht ausreichend statt. Die heutige Straßenumbenennung soll Anstoß für eine Auseinandersetzung mit rechtem Terror und Gewalt in unserer Nachbarschaft sein. Im Stadtteil, in dem ein NSU-Unterstützer wohnte, an die Opfer des NSU zu gedenken, finden wir äußerst wichtig. Die Erinnerung an die Opfer muss auch mit dem klaren Vorsatz einhergehen, dass sich solche Taten nicht wiederholen dürfen. Dazu ist ein konsequentes Zerschlagen rechter Strukturen notwendig.“ Die Antifaschistische Initiative Löbtau ist ein sich im Frühjahr 2016 gegründeter Zusammenschluss junger rebellischer Nachbar_innen, die sich für einen solidarischen Kiez einsetzen und keinen Bock auf Rassismus, Nationalismus und Sexismus haben. Es ist nicht die erste aktivistische Straßenumbenennung in Dresden-Löbtau, erst im Juni diesen Jahres bekannte sich eine Antikoloniale Aktion zur Umbenennung der Columbusstraße in Berta- Cáceres-Straße. Sie wollten damit der feministischen Umweltaktivistin aus Hondurars gedenken und auf die Verbrechen des Kolonialismus, der mit Columbus begann, hinweisen.