Zum Umgang mit Blackfacing beim Karneval

Wir teilen mit euch eine Mitteilung von kassel postkolonial, zu rassistischen Praktiken und dem Umgang mit dessen Kritiker*innen in Fulda, die uns kürzlich erreichte.

Bereits seit Lägerem haben sich Menschen in Fulda kritisch zur Verkleidungstradition des Vereins „Südend Fulda Karnevalverein 1938 e. V.“ geäußert, die neben dem Tragen von Kolonialuniformen auch die Kostümierung mit Baströcken, Tierfellen, Schmuck aus Knochen und Blackfacing, d.h. dem Bemalen des Gesichts eines weißen Menschen mit schwarzer Farbe, als „Afrikaner*innen“ beinhaltet. Diese Verkleidung ist der Gruppe Fulda Postkolonial e.V. und vielen weiteren Unterstützer*innen zufolge eine stereotypisierte, abwertende Darstellung von People of Color und als solche nur schwerlich mit dem Anspruch des Karnevalvereins, weltoffen und nicht rassistisch zu sein, zusammenzubringen.

„Wir sind der Ansicht, dass der Verweis auf Tradition und „Wir haben das schon immer so gemacht!“ keine tragfähigen Argumente sind, die die Verkleidungen auf Kosten marginalisierte Menschen rechtfertigen“ heißt es im Text der Online-Petition, mit der die Engagierten in Fulda um Unterstützung baten. Der Karnevalverein Südend Fulda, aber auch lokale Politiker*innen reagierten empört und verärgert auf die Kritik; aus Sorge vor Übergriffen wurde der Rosenmontagsumzug des Vereins unter Polizeischutz gestellt. Immerhin hat die Kritik bewirkt, dass in diesem Jahr auf das Blackfacing verzichtet wurde. Ob sie ein grundlegendes Umdenken hinsichtlich der Darstellung marginalisierter Menschen bewirkt hat, bleibt allerdings fraglich. Rassismus beinhaltet auch die stereotypisierende und abwertende Darstellung bestimmter Menschengruppen auf der Grundlage von (angenommener) Herkunft. Da es insbesondere in Deutschland an einer tiefgreifenden Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit mangelt, durchdringen rassistische Denkmuster zahlreiche Lebensbereiche, so auch den Karneval. Während der Epoche des Kolonialismus haben weiße Menschen aus Europa in rassistischem Überlegenheitswahn weite Teile der Menschheit unterjocht, ausgebeutet und im Fall von Widerstand gefoltert und ermordet. Die Rollenbilder und Stereotype dieser Epoche im Karneval wiederzubeleben ist daher kein harmloser Scherz, sondern eine Verächtlichmachung der Opfer des Kolonialismus. Würde jemand SS-Uniformen und KZ-Sträflingskleidung als lustige Kostüme ansehen?

Während Angehörige der weißen Mehrheitsgesellschaft privilegiert sind, wählen zu können, ob sie sich mit Rassismus auseinandersetzen, sehen sich Schwarze Deutsche und People of Color nahezu täglich mit den Kontinuitäten rassistischen Gedankenguts konfrontiert. Möchte man diesen Strukturen entgegenwirken, muss man sich mit dem Fortwirken des Rassismus proaktiv beschäftigen, um ihn auch in all seinen Dimensionen und Ausdruckformen in Handlungsbereichen des Alltags aufzuzeigen. Das ist mühsam, bedeutet viel Arbeit und trifft häufig auf Widerstand. Die Frage, die sich stellt, ist, warum sich Menschen weigern ihre Ausdrucksformen zu überdenken und zu verändern, wenn diese offensichtlich mit kolonialer Herrschaft, Ausbeutung und Mord verwoben sind? Warum sollen Traditionen fortgeführt werden, wenn diese dazu führen, dass bestimmte Menschen ausgeschlossen und offen rassistisch diskriminiert werden? Gilt das Fest nicht allen Menschen gleichermaßen? Eine andere Haltung und Handlung ist jederzeit möglich: Menschen wollen die Gegenwart und Aktualität rassistischer Strukturen und Formen beenden. Sie unterstützen daher kritische Wissenschaft und aktivistische Forschung, die sich mit der Erforschung dieser Strukturen und Formen beschäftigt. In der Beschäftigung mit diesen Arbeiten lernen sie, dass Rassismus als Strukturen mit jahrhundertealter Geschichte und als Denkformen uns alle durchziehen und demnach bis heute fortwirken.

Wir freuen uns deshalb sehr über die wichtige Arbeit der Fuldaer Kolleg*innen und möchten an dieser Stelle unsere Unterstützung ausdrücken. Ihre Kritik an rassistischen Darstellung und Verkleidungen während des Karnevals ist in unseren Augen mehr als berechtigt und wir bedauern, dass diese Kritik als Unverschämtheit abgetan wurde. Eine ernsthafte Auseinandersetzung damit kann dazu beitragen, existierende Diskriminierungen abzubauen und den Karneval somit zu einem Ort zu machen, an dem tatsächlich alle Menschen in respektvollem Umgang miteinander feiern können.

kassel postkolonial (kassel-postkolonial@uni-kassel.de)